top of page
  • AutorenbildFiona

Stell Dir vor, es ist Frühling, und keiner geht hin

Von der Welt da draußen, uns hier drinnen und einem Silberstreif in finsteren Zeiten

Frühling lässt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte. Doch wir bekommen kaum etwas davon mit. Nicht dieses Jahr; denn 2020 hat sich die Welt verändert. Und so sitzen wir zuhause, im Homeoffice oder vor Netflix, wo der Breitband-Internetzugang flattert.

Der Lenz ist da, draußen vor der Scheibe. Vielleicht wäre das im Alltagstreiben völlig untergegangen, wenn es ein Alltagstreiben gäbe. Jetzt rückt das Fenster zum Hof den Frühling jedoch bildgewaltig in Szene.


Freilaufende Nachbarn lassen sich ohnehin nur wenige beobachten. Selbst Nachbarkatzen scheinen dieser Tage kaum mehr unterwegs zu sein. Amsel, Drossel, Fink und Star freut’s, was sie mit Sang und Schalle kundtun.


Umgeben vom Frühlingserwachen wurden wir in einen künstlichen, verlängerten Winterschlaf versetzt. Isoliert und steril wie in einem Edward Hopper-Gemälde, nur deutlich schlechter angezogen. Stichwort: Jogginghose.


Wenn jetzt im Wald ein Baum umfällt und niemand hört es, macht er dann ein Geräusch? Wirklichkeit stellt per Definition die aus einem subjektiven Bewusstsein heraus angestellte Wahrnehmung der Umwelt dar. Ein Geräusch macht er also nicht wirklich. Wahrheit hingegen steckt überall dort, wo stets gültige Gesetzmäßigkeiten vorliegen, wie z. B. in der Natur. Manche Philosophen vertreten sogar die Ansicht, dass Wahrheit überhaupt nur in der Natur gegeben sei. Manchmal auch eine unbequeme Wahrheit.


Sicher, Spazierengehen ist in der Pandemie noch erlaubt. Aber dabei den Kontakt zu anderen, zu Dritten, zu meiden, widerspricht der menschlichen Natur als sozialem Wesen. Natürlich geht anders.


Gleichzeitig mehren sich die Indizien, dass es der Natur durchaus guttut, wenn wir Abstand von ihr halten. Gerne auch mehr als 1,50 m. Während der Mensch in der Schockstarre verweilt, blüht die Natur auf – und erholt sich.


Eine Satellitenaufnahme der European Space Agency, kurz ESA, vom Februar dokumentiert, wie stark sich die Luft in China verbessert hat. Fabriken waren vorübergehend geschlossen und die Menschen in ihrer Mobilität eingeschränkt. Die neu gewonnene Luftqualität muss nicht unbedingt in Gänze auf die Anti-Corona-Maßnahmen zurückzuführen sein. Genaue Zusammenhänge werden von der ESA derzeit analysiert.


Im Pandemie-gebeutelten Italien fließt seit März wieder klares Wasser durch Venedigs Kanäle. Zudem tummeln sich im Hafen von Cagliari ungestört von jedem Schiffsverkehr Delfine wie zuletzt anno dazumal.


Und die Krone der Schöpfung? Die sitzt in ihrem Zwangsexil, das in diesem Fall nicht Elba, sondern Wohnzimmer heißt. Wehe, wenn wir zurückkehren?


Die Natur heilt sich selbst. Auch aus einer Katastrophe kann also noch etwas Gutes hervorgehen. Vielleicht bereitet das den Boden für eine aufknospende Zuversicht und sei es aus der Quarantäne heraus. Jetzt müssen wir nur noch bald wieder draußen mitspielen dürfen – nach den Regeln, versteht sich.


Fiona Pröll

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Das letzte Kapitel

Comments


bottom of page