Der Bloomenkasten
- Fiona

- 13. Juli
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 26. Juli
Kleine Prompts, großer Monolog. Willkommen im Chat of Consciousness.
„…und ja ich sagte ja ich will Ja.“ Wer nie so weit gekommen ist: So endet Ulysses.
Inneres Murmeln, das sich durch 987 Seiten windet… Wie ein Denken in Bewegung. Mal stockend. Mal Strom, Schwall, Sog. Am Schluss fast ohne Punkt und Komma.
Ganz ehrlich: Wenn wir mit einer KI sprechen, hören wir uns ähnlich an.
Denn was ist Prompten anderes als ein Stream of Consciousness? Nur Dublin fehlt. Und die Exegese – aber das werden wir gleich ein Stück weit ändern.
Stattdessen ein Bewusstseinsstrom à la: „Kannst du mir bitte sagen, woran ich erkenne, ob mein Hund sauer auf mich ist?“ Oder: „Ist es bedenklich, wenn ich Nudelsorten nach Stimmung sortiere?“ Oder: „Formuliere das freundlicher und trotzdem bestimmt. Es geht um den mysteriösen, aber sehr begehrten Rest Quiche in der Kaffeeküche.“ Oder einfach: „Warum fühle ich mich wie donnerstags, obwohl heute Dienstag ist?“
James Joyce wäre stolz. Oder verwirrt. Oder beides.
Beim Prompten wird die Tastatur zur Schwelle zwischen Ich und Welt. Gedanken tropfen aufs Eingabefeld. Noch unsortiert und unfertig, aber mit dem Drang, dass ihre Bedeutung verstanden wird.
„Wie entschuldigt man sich für etwas, das man immer noch ein bisschen richtig findet?“, „Ich will es wie Mary Poppins sagen, aber mit provokantem Unterton.“ ChatGPT nickt digital. Wir fluten weiter.
Jeder von uns, der promptet, wird zu Stephen Dedalus – das ist übrigens der andere in Ulysses, der parallel zu Leopold Bloom herumirrt, dafür allerdings keinen eigenen Feiertag erhalten hat. Was wohl nicht zuletzt daran liegt, dass Dedalusday eigentlich nur von Franken richtig schön ausgesprochen würde.
Wir schlendern durch die Flure unseres Gedankenpalasts und stolpern über den Wunsch nach einer Anleitung, wie man im Supermarkt souverän umkehrt, wenn man etwas vergessen hat. Die KI, sie liefert. Stoisch, schnörkelig und immer ein bisschen zu höflich.
Arthur Schnitzler schickt Lieutenant Gustl durch die Wiener Nacht, angetrieben von einem rastlosen Gedankenstrom. Alfred Döblin inszeniert in Berlin Alexanderplatz eine brodelnde Großstadt, die sich in einem Bewusstseinsstrom aus innerem Aufruhr und urbanem Lärm spiegelt. Und jetzt… wir: „Was ist die elegante Version von ‚War klar, dass das passieren musste‘?“ Tada. Stream. Of. Consciousness.
Wahrscheinlich redet kaum jemand so offen mit sich selbst wie Menschen beim Prompten. Keine Filter, keine Einleitungssätze, kein „Klingt jetzt vielleicht doof …“. Nur ungebremstes Kopfkino: eine wundersame Mischung aus Google-Suchanfrage und Self-Coaching. „Wie verabschiede ich mich elegant aus einer WhatsApp-Gruppe?“, „Gibt es einen Weg, damit die Taco-Schale beim Abbeißen nicht auseinanderbricht?“ oder „Was tun, wenn ich beim Spazierengehen die gleiche Person zwei Mal grüße?“. Alles auf einer Dialogebene, die bei Joyce Metaebene heißt.
Das Erstaunliche ist: Es funktioniert. Zwischen „Schreib eine Nachricht an meine Nachbarn, in der ich erkläre, dass unsere Biotonne nicht nach Grillkohle, sondern versengten Aufbackbrötchen riecht“ und „Was tue ich, wenn ich zu früh danke sage und die Tür dann doch nicht aufgeht?“ entsteht etwas Neues. Etwas Hybrides. Halb Literatur, halb Tagebuch mit Sendetaste.
Die KI ist zu unserer Mrs Dalloway geworden. Die hatte sich auch schon gefragt: „War es das, was sie immer gewollt hatte – alles allen zu erklären?“
Fiona Pröll





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